Dschungelcamp
Über die letzten 5 Tage war ich im Dschungel Nord-Guatemalas, ein Trek über 100 km. Das Klima war streng, 35 Grad und 85% Luftfeuchtigkeit; nachts 30 Grad und 100%. Ziel waren die Ruinen von Mirador, der ehemaligen Hauptstadt der Maya in der Zeit um 150 vor Christus. Unten folgt das Tagebuch dieser Tage, leider mit sehr wenigen Bildern, da meine Kamera endgültig den Geist aufgegeben hat und Reparatur hier praktisch unmöglich ist.
Tag 1
Um 5 Uhr holte uns Antonio vom Hostel an und brachte uns innert 3.5 h nach Carmelita, der nördlichsten Stadt vor dem Dschungel. Nach einem Frühstück im Dorf machten wir uns auf den Weg für die erste Etappe über 18 km. Unsere Gruppe bestand aus zwei israelischen Geschwistern, die ich mit ihren ins Deutsche übersetzen Namen nenne, da ich kein Hebräisch schreiben kann, und einer Französisch Kanadierin; Schwalbe, Löwenbaby und Lucie. Unser Team waren Walter, ein Parkranger, der in Carmelita aufgewachsen ist und jedes Gras und Tier mit Namen und Ruf kennt, Henry, dem Muliführer, und Luki, der Köchin (irgendwer muss ja drei Mal am Tag die Bohnen zerstampfen).
Auf dem Weg lernten wir Maya-Heilpflanzen kennen (Pfefferblätter bei Zahnweh; Guayabablättertee bei Durchfall, Blätter eines lokalen Baumes, die man raucht bei schlechter Laune, Pilze die man isst bei Mangel an Vorstellungskraft…) und sahen einige interessante Tiere; eine grüne Schlange, super bunte Dschungeltruten und Spinnenaffen, fiese kleine Zeitgenossen, die die Äste schütteln sodass möglichst viel auf einen herunterfällt, wenn man darunter durchläuft. Falls das nicht reicht, brechen sie Äste ab und werfen damit nach einem. Es war ein Genuss, einen auf einem jungen Baum zu sehen; den konnte ich ordentlich durchschütteln und sein Gekreische, als er sich auf einen anderen Baum flüchtete, war sehr befriedigend. Auf dem Weg kamen uns einige Muli-Züge mit Equipment und Funden der Archäologen entgegen. Als wir hinter uns Motorengeräusch hörten, sahen wir voller Entsetzen einen Parkranger, der den ersten Teil des Wegs mit seinem hochgestellten Pickup (natürlich ein Hilux) bestritt; voller Begeisterung lud er uns ein, auf seiner Ladefläche mitzufahren. Um seinen Enthusiasmus nicht zu trüben, liessen wir uns auf das Abenteuer ein; wenig schneller als zu Fuss, aber mit weit mehr blauen Flecken lud er uns nach vier Kilometern wieder ab und ich war froh, wieder laufen zu können.
Kurz vor dem ersten Camp erreichten wir die Ruinen von Tintal, eine kleine Stadt, welche das grösste Fussballfeld der Maya besass. Ich hätte als Maya eine langjährige Karriere in diesem Sport haben können; die Gewinner wurden rituell geköpft.
Nach dem Abendessen (aufgewärmtes Guatemala Fried Chicken und gestampfte Bohnen) fiel ich erschöpft in meine Hängematte, welche in starkem Kontrast zu ihrem Hi-Tech-Look mit einem Grussmutterfliegennetz (s. Galerie) versehen wurde, das wir auf dem Muli mitgebracht hatten.
Tag 2
Mit dem ersten Sonnenlicht um fünf Uhr standen wir auf, um möglichst viel der 23 km zum nächsten Camp in der relativen Kühle des Morgens zu schaffen. Gestärkt durch die gestampften Frühstücksbohnen kamen wir um 14:30 an, nachdem wir einen kurzen Zwischenstopp in den Ruinen vom Dorf Muerte machten, das nach dem Exodus aus Mirador noch weiter bestand. Die Einwohner von Mirador wurden in durch zwei benachbarte Stämme aus Tikal nahezu komplett versklavt oder getötet; dieser Zeitpunkt markiert das Ende der präklassischen Ära der Maya und ist belegt durch 300 Obsidianspeerspitzen, die von der Schlacht zeugen und einer grossen Inschrift im Grundgestein, welche der Bruder von Antonio fand und eines der wichtigsten Zeitzeugnisse der Maya-Geschichte ist. Sie ist lokalisiert an einer Kreuzung von Mayastrassen und erzählt die Geschichte des Stammes und welche Götter sie anbeten, sodass Fremde auf der Durchreise wissen, mit wem sie es zu tun haben.
Alles in allem hat das Laufen auf diesen Pfaden wenig interessantes zu bieten, da man keine Aussicht hat, der Dschungel überall gleich ist und man sich sehr auf den Untergrund konzentrieren muss. Ich fand es einzig sehr verstörend, wie meine von Europa geprägte Erwartung, in Tälern Wasser zu finden, konsequent enttäuscht würde…
Das Camp ist ausgelegt für 300 Leute, welche aber aufgrund der Wasserversorgung nur während der Regenzeit im Sommer dort arbeiten können; da es ausser uns weit und breit keine Touristen hatte, waren wir im Camp alleine mit 4 Parkrangern. Wie jeden Abend auf dem Trip verabschiedeten wir uns von der Spitze einer Mayapyramide von der Sonne, assen noch zunacht (Suppe! Ohne Bohnen!) und gingen früh ins Bett. Der Vollmond leuchtete durch die Baumkronen, sodass ich von meiner Hängematte aus ein Rudel Brüllaffen in den Baum, an dem ich meine Hängematte angebunden hatte, einziehen sehen konnte, bevor ich einschlief. Entrüstet über den Mangel an Aufmerksamkeit begannen sie auch bald mit ihrer nächtlichen Lieblingsbeschäftigung: einen Höllenlärm machen. Da man sie über Kilometer weit im Dschungel hören kann, stimmten die benachbarten Rudel auch mit ein. Dieses Spektakel in freier Natur sehen und hören zu dürfen, ist den Mangel an Schlaf easy wert!
Tag 3
Diesen Tag verbrachten wir mit dem Erkunden der Mayaruinen und lernten viel über die Geschichte der Maya, sowie eine über 2000 Jahre alte Saga (Popolvhu). Nachts fielen mir mit der Stirnlampe die unglaublich vielen Augenpaare auf, die mir vom Boden aus zurückleuchteten; nachtaktive Spinnen, 5-10/m2.
Tag 4
Rückweg; 9 L Wasser getrunken und einmal gepinkelt, geschätzte 50 mL… Es war heisser und schwüler als zuvor. Nach einer kurzen Siesta schauten wir noch Apocalíptico, Mel Gibson’s Film über die Maya. Ich würde ihnen einem Vakuum nicht empfehlen, aber in dem Umfeld war es erträglich. Zum Abendessen fragte uns Luki, ob wir auch Weizenmehl essen. Etwas verstört bejahten wir die Frage und fragten unsererseits, warum nicht; scheints macht das dick. Prinzipiell korrekt, aber bisher gab es immer Maistortillas und Sirup…
Tag 5
Auf der letzten Etappe legten wir ein rechtes Tempo an. Wie sich auf dem Weg offenbarte, musste Walter abends wieder zurück in Mirador sein; das bedeutete für ihn, nach den 18 km mit uns nochmals 18+23 km zurück zu Fuss.. 60 km an einem Tag auf diesen Pfaden, grosser Respekt!
Wieder im Hostel duschte ich für geschlagene 45 min (das Hostel ist auf einer kleinen Insel, sodass ich wegen dem Wasserverbrauch kein allzu schlechtes Gewissen haben musste) und machte eine Siesta im Zimmer mit A/C. Abends trafen wir uns nochmal und machten einen drauf mit kühlen Bieren.
Am eindrucksvollsten war das Gefühl, wie schnell der Minibus auf der asphaltierten Strasse vorwärts kam, nachdem wir die letzten Tage so mühsam vorwärts kamen und die erste Hälfte des Fahrtwegs auf schlechten Strassen auch sehr langgezogen war.
Tag 6
Der Tag danach. Das einzig produktive war das Aufstechen und Austrocknen meiner Blasen, ansonsten lag ich im kühlen Zimmer und spielte Games auf meinem Tablet =)